Recap zum 2. German VR Day des BVDW bei Telefónica

German VR Day No. 2 @ telefonica
Lesezeit: 10 Minuten | 11. Dezember 2017 - Florian Lamp

Hoch interessant und auch gruselig: der 2. German VR Day

Virtual Reality kommt, aber wann sie soweit ist, dass sie wirklich „so gut“ ist wie die echte Realität, das muss sich erst noch zeigen, so mein Fazit im Recap des 2. German VR Day des BVDW in den Räumlichkeiten von Telefónica BASECAMP. Wann die künstliche Realität also wirklich mit der realen Realität mithalten kann, das ließen die Referenten auf dem 2. German VR Day dann auch offen. Was sie aber erzählten und zeigten, war teilweise hoch interessant, teilweise auch ein wenig gruselig – aber das ist es ja immer irgendwie, wenn es um Zukunftsvisionen geht und AI bzw. KI mit dazugehören. Aber genug eingeleitet, schauen wir uns kurz die Vorträge und die Referenten an und den Inhalt ihrer Präsentationen und Case Studies.

Nikolai Bockholt von Google geht in die Luft

Nikolai Bockholt, Creative Services Engineer bei Google Deutschland, stellte eine Case Study mit dem Kooperationspartner Red Bull vor. Der Konzern mit Sitz in Fuschl am See ist Veranstalter der Flugzeug-Rennserie „Air Race“ und wollte diesen actiongeladenen Sport für die Zuschauer vor Ort und „zu Hause an den Bildschirmen“ besser erlebbar machen. Schlau wie Google ist, sah man dort direkt, dass ein Nachteil der herumrasenden Flugzeuge ist, dass sie jeweils alleine den abgesteckten Kurs durchfliegen. Das Problem für den Zuschauer dabei: Er sieht nicht, wer gerade führt, er kann keine Ideallinie erkennen und last but not least: Er sieht die tollkühnen Flieger in ihren knatternden Kisten nur vom Boden aus. Wie es sich anfühlt, in einem der Jets zu sitzen, kann er sich vielleicht vorstellen, aber eben nicht hautnah erleben.

Die Lösung von Google: Wir nutzen die Telemetriedaten der Flieger (vgl. Formel 1), bauen eine VR-Welt und machen diese über die Google-eigene VR-Plattform direkt per App verfügbar. Kurz gesagt: Jeder kann nun die verschiedenen „Fluglinien“ der Piloten virtuell und in Echtzeit nachverfolgen und sieht, wer gerade auf welcher Position liegt. Und wem das noch nicht langt, der setzt sich seinen VR-Device auf den Kopf und vor die Augen und steigt selbst ins Cockpit mit ein und fliegt mit.

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Das Ergebnis hat die Leute, die die neue App vor Ort beim Finale der Serie in Indianapolis ausprobieren wollten, überzeugt. Mehr noch: Die einzelnen Teams und Piloten fragten anschließend an, ob sie die Anwendung auch zu Trainingszwecken nutzen dürften – vor allem, auf dem Weg zu den Rennen, sei die App hilfreich und eine sinnvolle Ergänzung zum teuren Training an physischen Simulatoren. Meine persönliche Meinung hierzu: Die Umsetzung und die Verknüpfung von VR mit Data sind absolut gelungen. Allerdings: Mit der App als solcher hat Google das Rad damit nicht gerade neu erfunden. Schließlich gibt es ähnliche Spielereien (wenn auch nicht in diesem Ausmaß) auch schon bei anderen Sportarten.

Dominic Eskofier von Nvidia treibt sich auf dem Holodeck herum

Um das Abschaffen von physischen Simulatoren mit dem Ziel, ein eigenes Holodeck wie in Star Trek zu erschaffen, ging es auch Dominic Eskofier, Head of Virtual Reality EMEAI von Nvidia. Dieses Holodeck solle alle Sinne wie in der realen Welt ansprechen. Na dann viel Erfolg dabei! Was er dann am Schluss präsentierte, war schon beeindruckend – auch wenn es noch beeindruckender gewesen wäre, wenn man das Ganze auch „real“ hätte ausprobieren können. Zur Einführung gab es eine kurze Geschichte der VR: Angefangen bei den Anfängen mit Ivan Sutherland arbeitete sich Eskofier weiter vor.

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Besonders schön und beeindruckend der Sprung in der Grafik. Als Beispiel zeigte Eskofier einen „Indiana Jones“, der aus 28 Pixeln bestand – und angeblich aus einem Computerspiel des Jahres 1974 stammte. Stimmt aber nicht. Denn er stammt aus dem Jahr 1982 und dem ersten Indiana-Jones-Game „Raiders of the lost Ark“ (Jäger des verlorenen Schatzes) für die Konsole Atari 2600 zum gleichnamigen Film. In Star Trek kennt sich Dominic Eskofier halt besser aus. Und das ist auch gut so, wenn man an die unterirdisch schlechte letzte Indy-Verfilmung, Stichwort „Kristallschädel“, denkt.

Indiana Jones auf der Atari 2600
Zum besseren Verständnis: DAS ist unser aller Indy in 28 Pixeln!

Zurück zum Holodeck: Neben der visuellen Komponente bzw. Ebene müssen noch viele weitere optimiert werden, nämlich

Weitere Ebenen mit Optimierungsbedarf 

  • die haptische (direkt, am besten ohne Controller!)
  • Audio-Effekte (Nvidia arbeitet hier an Geräten, die Schallwellen natürlich nachempfinden, also inklusive Schallspiegelungen u. a.)
  • Verhaltens-Ebene: Die KI soll den User exakt verstehen und entsprechend handeln (vgl. das Star Trek Game „Bridge Crew“ von Ubisoft)

Aber es geht hier nicht (nur) um Games, sondern um sinnvolle Anwendungen auch für Unternehmen. Das Nahziel sind fotorealistische Kollaboration von diversen Standorten auf der ganzen Welt. Die passende Zielgruppe: Automotive. Momentan ist man schon sehr weit mit einem „Holodeck“ im Bereich „Autodesign“. In einem hochauflösenden Prototyp können bereits Details vermessen, verlängert, verkürzt, verändert werden.

2018, Kinder, wird’s was geben! VR, wie die Welt sie noch nicht gesehen hat!

Im anschließenden Gespräch mit Publikumsbeteiligung gaben die Herren Bockholt und Eskofier zu: Ja, die aktuelle Zielgruppe für die meisten VR-Entwicklungen sind Gamer. ABER: Auch wenn die Gamer als erste mit VR-Device unterwegs sind, gibt es doch auch viele andere, noch größere Zielgruppen, denen mit VR geholfen werden kann. Als da wären: Die Bereiche Education, Medizin sowie Entertainment. Besonders interessant hier ein Beispiel von Eskofier: Die deutsche Bahn musste im Rahmen der Einführung neuer ICEs 6.000 Mitarbeiter im Umgang mit dem Hightech-Zug schulen. Bisher hatte das zur Folge, dass einer der beiden neuen Züge hierfür nicht im Einsatz war und stattdessen für das Mitarbeitertraining in einer Halle stand.

Die deutsche Bahn verdiente also währenddessen nichts und zusätzlich waren die Mitarbeiter sehr vorsichtig, weil sie Angst hatten, durch eine Fehlbedienung teure Schäden hervorzurufen. Dank einer VR-Entwicklung von Nvidia wird nun virtuell trainiert und beide ICEs können normal genutzt werden. Schöner Nebeneffekt: Die DB-Mitarbeiter, die virtuell ausgebildet wurden, lernen schneller, da Fehler in VR nicht hundertausende Euro teure Reparaturen nach sich ziehen. Anders gesagt: „Gott vergibt, Django nie“ bzw. Virtual Reality verzeiht, die Realität nicht. Wobei die Frage, ob man so wirklich besser lernt, angezweifelt werden darf, wenn man an die Probleme mit den ICEs auf der neu eröffneten Strecke zwischen München und Berlin denkt. Egal, denn wie versprach Eskofier mit glänzenden Augen: 2018 wird es Dinge in VR geben, die die Welt noch nicht gesehen hat – aber er und Nikolai Bockholt eben schon. Wir sind gespannt!

Pascal Kaufmann: Hirnforscher, Schweizer, bald mit 1.000 Gehirnen

Pascal Kaufmann, Hirnforscher und CEO des Unternehmens Starmind (hier ein interessantes Interview von der Firmen-Webseite) möchte, dass wir alle mit 1.000 Hirnen gleichzeitig denken. ABER: Möchte ich wirklich mit den Gehirnen anderer denken? Und möchte ich, dass 1.000 andere meine Hirnzellen nutzen? Egal, denn laut Kaufmann ist eine Evolution des Gehirns notwendig, um mit AI/KI mitzuhalten. Hunderte Millionen oder Milliarden Jobs werden mittelfristig wegfallen durch künstliche Intelligenz. Da sei es zwangsläufig, dass man sich fortentwickeln muss. Genau wie der Fisch im folgenden Video, das Kaufmann auch präsentierte:

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Ein erster Schritt zur Fortentwicklung, die den User „mehr“ sehen lässt: VR-Brillen. Doch die findet der Hirnforscher nicht sinnvoll. Er möchte weitergehen. Sein Nahziel ist eine Linse im Auge, die eben ermöglicht, „mit 1.000 Hirnen gleichzeitig zu denken“. Vielleicht liegt es daran, dass ich großer Fan von Walter Moers und dessen Zamonien-Universum bin und deshalb jedes Mal, wenn dieser Begriff fiel, an die darin wichtige Figur des 7-hirnigen  Eideeten Prof. Abdul Nachtigaller denken muss.

Für die Berufswelt bedeutet das, dass er über eine Vernetzung bzw. Schnittstelle direkt am Sehnerv oder irgendwo anders im Hirn mit allen Kollegen und deren Wissen verbunden ist. So ist sichergestellt, dass jeder Arbeitnehmer 3.0 sein gesamtes Wissen allen in der Firma zur Verfügung stellt. Taucht ein Problem auf, „weiß“ ich die Lösung im Bruchteil einer Sekunde dank des „Konzern-Hirns“. Im nächsten Schritt wird dann der normale Arbeitnehmer durch einen Roboter ersetzt. Piffpaff, ist er weg, der Mensch! DOCH Achtung: Der Mensch, er bleibt weiter wichtig, meint Kaufmann. Denn: „Der Mensch kann fragen, die Maschine kann das nicht“. Noch nicht, fragt man sich und denkt sich seinen Teil mit dem auf sich allein gestellten Einzelhirn …

Christoph Käthe von Fischer-Appelt lässt Merck-Mitarbeiter Achterbahn fahren

Virtual Reality verändert den Weg der Content-Erstellung und des Storytellings nachhaltig, ist sich Christoph Käthe von Fischer-Appelt sicher. Und das verdeutlicht er mit einer kurzen Gegenüberstellung der aktuellen Situation mit der Situation der Zukunft und VR.

Content heuteContent morgen mit VR
StoryExperience
StorytellingStory Creation
ReachDepth
Anschließend präsentierte er noch eine Case Study. Der Medizin-Konzern Merck hatte Fischer-Appelt mit dem Relaunch der Marke beauftragt und generell sowie beim Internal Branding fiel das sehr bunt aus. Und durch VR auch für alle Merck-Mitarbeiter direkt erlebbar.Wie? Na klar, mit einem VR-Gerät inklusive Headset … und drei Spielchen zum Thema „Curiosity“, dem Leitmotiv von Merck. Angeblich fanden 95 Prozent der Merckianer, dass dieser Apparats, der durch alle möglichen Merck-Filialen tourte, ihnen den neuen Look sowie den Markenrelaunch auf hervorragende Art und Weise näher gebracht hat.

Drei Spiele, die begeisterten – Was den Kollegen bei Merck geboten wurde

  • Spiel 1: Die Achterbahnfahrt. Die Bahn beschleunigt, wenn der Kollege im virtuellen Raum erfolgreich nach am Bahnrand auftauchenden Themen, Slogans oder Infos greift.
  • Spiel 2: Ein wenig hypertroph „Die String-Theorie“ genannt. Aufgabe: Liebe Kollegen! Fangt Merck-Slogans mit frei formbaren Rahmen ein!
  • Spiel 3: „Die Merckroben“. Mitarbeiter schütten eine virtuelle Tonne voller „Merckroben“ aus. Das sind bunte, Mikroben bzw. Massagebällen ähnliche Gebilde, mit denen dann virtuell gespielt werden kann.

Merckwürdig, wie einfach Markenidentifikation manchmal funktioniert. Aber ok, der Erfolg gibt den Kollegen von Fischer-Appelt recht.

Kritik und Gegenkritik

In der anschließenden Diskussion gab es mehrere Kritikpunkte, die so ähnlich auch in jeder anderen VR-AI-KI-Debatte auftauchen – und auf die auch immer nur halbgare Antworten folgen. Der Grund für die relativ wenig aussagekräftigen Antworten: Man weiß es noch nicht, es ist alles noch zu neu. Wobei ein Grund für diese „Antworten“ vielleicht auch durch den folgenden Tweet veranschaulicht wird:

Und hier noch die zwei Fragen inklusive Antworten

Ist das noch denken?

  • Frage 1: Kann man das Denken nennen, wenn ich über eine Linse im Auge oder direkt im Hirn denke bzw. alles weiß? Zerstört diese Form von Wissen nicht den Geist?
  • Antwort eines Pixelpark-Kollegen: Naja, jede neue Technologie kriegt diese Kritik ab: Früher hieß es: Du liest zu viel, dann hieß es: Du siehst zu viel fern, dann: Du spielst zu viel Computer, dann: Du hängst zu lang bei Facebook rum.

Wie komm ich da raus?

  • Wenn Eure VR-Welten so genial und toll sind, wie sorgt Ihr dafür, dass sich der User nicht darin verliert und gar nicht mehr in die echte, langweilige, graue Realität zurück will? Baut Ihr auch einen „Ich will hier raus, sofort“-Button ein?
  • Antwort von Google-Mann Nikolai Bockholt: Ich verstehe, was Du meinst. ABER: „Google denkt bei allem, was man tut, immer ganz zentral an den Profit … [Anmerkung der Redaktion: vom Autor des Beitrags bösartig erfunden und hinzugefügt] NEIN! Falsch! … also Google denkt natürlich immer zentral an die Menschen!“ Und ganz abgesehen davon: Schon bei der Kooperation mit Red Bull und dem Air Race, gab es für die User, denen das Mitfliegen zu rasant war, einen Exit-Button.

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Über den Autor

Nach geisteswissenschaftlichem Studium, Gründung eines eigenen Verlags, der bescheiden GROSSKONZERN getauft wurde, Buchveröffentlichungen als Autor und Verleger sowie einer Karriere als Online-Redakteur in Start-ups, bei ulmen.tv und woanders, schrieb Florian Qualitätstexte aller Art für die Kunden von spacedealer.

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